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LIFE WAS SO EASY. MUSIK UND EXIL
LIFE WAS SO EASY. MUSIK UND EXIL
24. Januar 2022 | 20:00
Eintritt nur mit Voranmeldung: prenotazione.forumaustriaco@gmail.com
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„Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis im Deutschen Reich im Jahr 1933 begann die Verfolgung der politischen Gegner und der jüdischen Bevölkerung. Zu den Opfern zählten auch zahlreiche Komponisten und Musiker, und nur wenige, die im Exil überlebten, kehrten nach 1945 in ihre alte Heimat zurück und waren dort willkommen. Viele werden bis heute ignoriert und vergessen, und so ist es uns ein großes Anliegen, ihre Musik wieder zu spielen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.“ Dies ist der Beweggrund des Ensembles TRIS (Holger Busch am Klavier, Jörg Wachsenegger an der Klarinette und Gerhard Waiz am Cello), ein Programm mit Werken vertriebener österreichischer Komponisten zu gestalten.
Wer der Verfolgung entgehen und sein Leben retten wollte, musste sich verstecken oder in die Emigration gehen. Nicht allen gelang es, im Exil einen Neubeginn zu schaffen bzw. an die vorigen Erfolge anzuknüpfen: Krenek, Vally Weigl, Stutschewsky oder auch Korngold sind positive Beispiele. Für viele andere aber – Zemlinsky, Wellesz, Kurt Weigl – bedeutete die Emigration einen unüberwindbaren Bruch oder sogar das künstlerische Verstummen. Der Nazi-Terror führte so nicht nur zu unzähligen individuellen Dramen, sondern zeitigte auch einen Kahlschlag im Musikleben in den betroffenen Ländern – mit weit reichenden Folgen bis zur Gegenwart, denn nur wenige der vertriebenen Komponist*innen und Musiker*innen kehrten nach 1945 in ihre alte Heimat zurück und waren dort willkommen. Viele werden bis heute sträflich ignoriert und vergessen.
Im Zentrum des Programms steht ein neues Werk von Alexander Wagendristel, das TRIS 2019 uraufführen durfte. Wagendristel zitiert in diesem Trio Arnold Schönbergs Klavierkonzert nicht nur im Titel („life was so easy“ findet sich in Schönbergs Skizzen zu diesem Konzert), auch die Grundreihe dieses Werkes ist an einer Stelle gegen Ende des Trios deutlich hörbar.
Programm
Alexander Wagendristel (* 1965) life was so easy (2017) für Klarinette, Cello und Klavier
Robert Starer (1924 – 2004) Trio (1964) für Klarinette, Cello und Klavier
Moderato, un poco rubato – Presto leggiero – Maestoso – Andante mosso – Tempo primo
Joachim Stutschewsky (1891 – 1982) Kaddish für Violoncello und Klavier
Joachim Stutschewsky (1891 – 1982) Hassidic Fantasy für Klarinette, Cello und Klavier
Alexander Wagendristel wurde in Wien geboren und studierte Komposition bei Heinrich Gattermeyer und Erich Urbanner. Im Jahr 1988 folgte der Besuch der Darmstädter Ferienkurse für neue Musik bei Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm. Er ist Mitbegründer etlicher Ensembles für Zeitgenössische Musik, so etwa der Improvisationsgruppe „Things of NowNow“ oder des ensemble reconsil. Sein Trio für Klarinette, Cello und Klavier, das TRIS 2019 uraufführen durfte, ist eine Meditation über Exil und Verlust. Es zitiert Arnold Schönbergs Klavierkonzert nicht nur im Titel („life was so easy“ findet sich in den Skizzen zu diesem Konzert), auch die Grundreihe dieses Werkes ist an einer Stelle gegen Ende des Trios deutlich hörbar. Wichtig ist für Wagendristel aber auch der Bezug zur Gegenwart: Damals mussten Menschen wie Schönberg aus Europa emigrieren, um der Vernichtung zu entgehen. Heute flüchten Menschen aus dem gleichen Grund nach Europa. Wie gehen wir damit um und wo stehen wir da heute? Wiederholt sich die Geschichte?
Robert Starer wurde 1924 in Wien geboren, wo er auch seine erste musikalische Ausbildung erhielt. 1938 musste er als Jude das Land verlassen, emigrierte nach Palästina und diente im 2. Weltkrieg in der Britischen Armee. Ab 1947 lebte er in New York, wo er an der Julliard School unterrichtete. Seine Kompositionsweise ist „modern“, jedoch nie hermetisch. „Wahrscheinlich habe ich mir aus allen Kulturen, die mich berührt haben, das herausgesucht, was zu mir passte“, sagt er selbst. So verwendet Starer in seinem Trio, das 1964 in Rom entstand, zwar die Zwölftontechnik, arbeitet aber mit klar erkennbaren Themen und Strukturen, großer Spielfreude und insbesondere in den schnellen Teilen des Stücks auch mit rhythmischen und melodischen Elementen, die aus dem Jazz kommen.
Joachim (Yehoyachin) Stutschewsky war einer der bedeutendsten Cellisten aller Zeiten. Geboren wurde er in der Ukraine in eine Familie von Klezmorim, jüdischen Musikanten. Stutschewsky lernte zuerst Geige und ab elf Jahren Cello; sein außergewöhnliches Talent wurde bald evident, solistische Auftritte und schließlich das Studium bei Julius Klengel in Leipzig folgten. Den Ersten Weltkrieg verbrachte Stutschewsky in der neutralen Schweiz, wo er begann, sich neben seiner intensiven Konzert- und Unterrichtstätigkeit für die Neue Jüdische Schule zu interessieren, eine im Russland am Beginn des 20. Jahrhunderts entstandene Kompositions-Schule, die den musikalischen Traditionen des Judentums verpflichtet war. 1924 übersiedelte er nach Wien und wurde Mitglied des Wiener Streichquartetts (später: Kolisch-Quartett), das sich insbesondere durch Uraufführungen der Zweiten Wiener Schule einen legendären Namen machte. Stutschewsky konzertierte in ganz Europa, veröffentlichte eine hervorragende Cello-Schule und etliche Kompositionen und Bearbeitungen für sein Instrument. Außerdem avancierte er zu einem der wichtigsten Komponisten und Theoretiker der Neuen Jüdischen Schule. Ihm ist es zu verdanken, dass Wien in den späten 1920er-Jahren zum internationalen Zentrum der Jüdischen Musik wurde. 1938 floh Stutschewsky kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen aus Österreich in die Schweiz und schließlich weiter nach Palästina. Dort war er ganz wesentlich am Aufbau des musikalischen und kulturellen Lebens beteiligt. Ab den 1950er-Jahren widmete er sich v.a. dem Komponieren und dem Sammeln von chassidischer und sephardischer Musik. In seinen Kompositionen bevorzugte er meist kleinere Formen und orientierte sich an dem Idiom jüdischer Dichtungen und Gebete, so auch in „Kaddish“ für Violoncello und Klavier. Das „Kaddish“ ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum, ein Heilungsgebet, das auch zum Totengedenken gesprochen wird. Die „Hassidic Fantasy“ ist eines der wichtigsten Beispiele Jüdischer Komposition in der Tradition der Neuen Jüdischen Schule. Sie greift zahlreiche Melodien und Themen chassidischer Musik auf, die in dramaturgisch abgestimmter Folge aneinander gereiht sind.